Kommentar: Inkompartible T. Straubhaar-bGE-Definition in der “Welt”

Kommentar zu Prof. Thomas Straubhaar,  Welt: Warum Grundeinkommen gut zu den Piraten passt

Den ersten Absätzen des Autors stimme ich zu. Und ja, ich hätte mich beinahe von der Rhetorik und perfekten Logik des Autors überzeugen lassen.

Doch was hier in Wirklichkeit passiert, ist eine Verknüpfung der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens mit einem dem Autor genehmen Finanzierungsplan.

Die piratige Definition vom bedingungslosen Grundeinkommen umfasst nicht nur einen Betrag, der zum Überleben, sondern auch zur gesellschaftlichen Teilhabe ausreichend ist.

Für den Autor mag es logisch sein, zu behaupten, dass das Grundeinkommen ein Steuerfreibetrag sei – doch dem ist nicht so. Selbst einem Vergleich „Das Grundeinkommen ist WIE ein Steuerfreibetrag“ würde ich nicht zustimmen.

Er zeigt uns einen “äußerst einfachen ökonomischen Zusammenhang” -ein hohes GE bedingt hohe Steuersätze und ein niedriges GE bedingt tiefe Steuersätze.

Das klingt zwar logisch, ist aber (sogar ökonomisch) einfach falsch.

Der Autor hat denn auch einen wichtigen Punkt in seiner Logikkette unterschlagen. Wie kommt das bGE zustande, beziehungsweise wo kommt es her? Er baut diese Brücke, indem er aus dem Sockeleinkommen einfach ein Grundeinkommen macht. Das “bedingungslos” unterschlägt er geschickt, um es im letzten Absatz aus dem Nichts wieder erscheinen zu lassen. Das ist Strategie, denn zunächst muss tatsächlich das Wörtchen “bedingungslos” vom Grundeinkommen getrennt werden.

Im Folgenden wird auch die Wirklichkeit des Autors deutlich, wenn er das Grundeinkommen mit dem “Anreiz zu arbeiten” verknüpft.

Doch das bGE hat zunächst erst mal nichts mit den Steuerfreibeträgen zu tun.

Der Steuerfreibetrag der auf meiner Lohnsteuerkarte steht, ist ein Betrag, denn ich von meinem erarbeiteten Geld nicht gegenüber dem Staat versteuern muss. Das bGE ist ein Geld, das der Staat an alle Menschen auszahlt – unabhängig davon, ob sie arbeiten oder nicht.

Die Piraten haben erkannt, dass es keine Vollbeschäftigung mehr geben wird, dass aber jeder Mensch das Recht hat in Würde zu leben. Da unsere Gesellschaft das Geld als Zahlungsmittel definiert hat, ist es also von Nöten, jeden Menschen mit ausreichend Geld auszustatten (ich schreibe hier nicht „unterstützen“, sondern bewusst „ausstatten“), damit er in Würde leben kann.

Faktisch trennt das bGE also den Menschen vom System der Erwerbsarbeit insofern ab, als dass der Mensch diese Arbeit macht, aber nicht machen muss. Er ist frei in seiner Entscheidung und damit nicht mehr schutzlos den Interessen der Arbeitgeber ausgesetzt.

Dass der Mensch trotzdem arbeiten wird, liegt im immateriellen Bereich in Begriffen wie „Anerkennung“, „Lob“, „Erfüllung“ und „Berufung“ und im materiellen Bereich ganz allgemein in der Verfügbarkeit von Genuss- und Luxusgütern begründet.

Der Autor spielt – ohne das direkt anzusprechen, mit den Ängsten des Lesers, indem er suggeriert, dass er abhängig vom der Höhe des bGE mehr Steuer zahlen müsste. Auch das ist eine Aussage, die nur in seinem Deutungsraum funktioniert.

Ebenso hat mich der Satz aufhorchen lassen „Damit ist auch ein anderer Vorwurf entkräftet, nämlich dass auch Gutverdienende das Grundeinkommen erhalten.“ Bei diesem Satz gehe ich davon aus, dass er in seinem Deutungsraum vom bGE tatsächlich mit diesem Vorwurf konfrontiert wird – doch er ist aus piratiger Sicht absolut absurd. Wir fordern das bGE für ALLE – das schließt sogar die armen Reichen mit ein. Diesen Satz habe ich höchstens mal als Verständnisfrage erlebt.

Der Autor suggeriert, dass der Schritt zum bGE ein kleiner sei: „Das Grundeinkommen ist nichts anderes als ein Steuerfreibetrag in Höhe des Existenzminimums – so wie er bereits heute in Deutschland allen gewährt werden muss.“ – doch wie bereits vorher geschrieben – es ist nur in seinem Deutungsraum faktisch korrekt.

Das genaue Finanzierungskonzept beim bGE ist meines Erachtens noch völlig offen. Der Autor hat mit diesem Artikel nur das Ziel seine (von neoliberalen Gedanken durchwebten) Sichtweisen auf das bGE anzuwenden und damit sein favorisiertes Finanzierungskonzept mit dem bGE zu verknüpfen.

Tatsächlich aber gilt es weiterhin erst einmal die Idee des bedingungslosen Grundeinkommen an sich zu verstehen und hierüber aufzuklären.

Bevor man eine Idee, eine Vision richtig verstanden hat, sollte man die Finanzierungsfrage meiden, denn Finanzierbarkeit und Arbeitsplatzverlust sind zwei der schlimmsten Innovationsgegner unserer Zeit. Und deshalb ich habe meine Zweifel an der Gültigkeit solcher Argumente zu einem zu frühen Zeitpunkt.

Die in anderen Kommentaren erwähnte Nähe des Autors zum „AfD-Kader“ erscheint mir in diesem neolibaralistischen Zusammenhang durchaus „logisch“.

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