VDS – Wo ist denn das Problem?

Die Vorratsdatenspeicherung ist ein „no-go“ für die Piraten. Interessant wird es, wenn man sich dem Thema auf rein datentechnischer Ebene nähert. Denn, ohne es beweisen zu können, behaupte ich, einige der Techniken der VDS werden schon seit Jahren im professionellen Umfeld eingesetzt.

Die Verbindungsdaten

Das heutige IPFIX Protokoll (RFC 3917) ist aus den “netflow” Protokollen entstanden. Diese wurden entwickelt, um Netzwerknutzung zu analysieren, visualisieren und Dienste wie zum Beispiel Quality-of-Service anbieten zu können. Kurz:

Im Business ist die Aufzeichnung und Analyse von Verbindungsdaten Alltagsgeschäft.

So genannte SIEM (Security Information and Event Monitoring) Systeme bieten diese Datenkorrelation ebenfalls an. Hierbei werden noch viel mehr unterschiedliche Datenquellen zur Korrelation hinzugezogen. Zur Vollständigkeit zu erwähnen ist ebenfalls, dass nicht alle Verbindungsdaten auf dem Internet Protokoll basieren und deshalb bereits heute andere Aufzeichnungs- und Analyseverfahren hierfür existieren.

Das ist die erste Datenhälfte, die bereits heute erhoben wird. Allerdings nicht überall und nicht immer im gleichen Umfang.

Die Stammdaten

Der zweite Teil, sind die Accountdaten, die Stammdaten der Benutzer. Name, Anschrift, und wann der Benutzer für wie lange sich mit den angebotenen Diensten verbunden hat. Auch diese Daten werden heutzutage fast immer erfasst. Ob zu Abrechnungszwecken oder zur Beweisführung im Streitfall ist dabei zunächst nicht relevant. Anders als die technischen Daten oben, werden diese Daten von fast allem Anbietern erfasst und man ist darauf angewiesen zu glauben, wie lange diese Daten wirklich gespeichert werden.

Die Zusammenführung

Die Vorratsdatenspeicherung sorgt für eine formale Verbindung zwischen den Verbindungsdaten und den Stammdaten, indem die zu einer bestimmten Zeit durch einen bestimmten Stammdatensatz verwendete Netzwerkadresse für einen längeren Zeitraum gespeichert wird. Hinzu kommen bei der Vorratsdatenspeicherung noch Maßnahmen, die eine mögliches geringes Verfälschungsrisiko der gewonnen Daten garantieren sollen.

Das Problem

Wäre es möglich, diese zusammengeführten Daten so zugriffs- und manipulationssicher aufzubewahren, dass sie einzig und alleine der Verbrechensaufklärung dienen würden (vergleichbar mit der Vernehmung von Zeugen) so wäre ich FÜR eine Vorratsdatenspeicherung. Als Instrument der Verbrechensbekämpfung erscheint die Vorratsdatenspeicherung sinnvoll. Sie erlaubt den Strafverfolgungsbehörden Ihre Aufgabe auch in der digitalen Welt weiter zu führen. Ähnlich, wie es ein Bundestrojaner oder andere Ermittlungstaktiken tun.

Das Problem ist nicht der Ansatz und die berechtigten Interessen der Verfechter der VDS.

Das Problem liegt tiefer. Es liegt im Menschen und im System:

Daten sind nicht sicher aufbewahrbar. Sie sind per se manipulierbar. Ihre Existenz alleine gefährdet Ihre ursprüngliche Legitimation. Denn Daten wecken Begehrlichkeiten. Es ist vorhersehbar, wie auf kurz oder lang sogar der Autoversicherer wissen will, wie häufig der Kunde auf Internetseiten gesurft hat, die Versicherungsbetrugspraktiken erklären. Das ähnlich dem Massen-Gentest wir alle gebeten werden, doch einfach unsere Verbindungsdaten zur Entlastung offen zu legen. Und dann ist da ja noch die GEMA…

Das zweite große Problem ist Ihre scheinbare Unanfechtbarkeit. Inzwischen wissen wir, dass ein Fingerabdruck mehrfach existieren kann – bei Zwillingen zum Beispiel. Trotzdem ist es immer noch so, dass der Fingerabdruck ein sicheres Indiz für die Täterüberführung ist. Auch wenn die Häufigkeit eines doppelten Fingerabdrucks mir von jedem Statistiker um die Ohren geworfen wird, so ist alleine die Tatsache, dass sie existiert ein Grund für einen berechtigten Zweifel an der Schuld.

Computerdaten sind um ein vielfaches einfacher zu manipulieren. Je besser das Schutzsystem dieser Daten, desto höher die Überzeugung der Hersteller/Sachverständigen, dass es nicht manipulierbar ist. Wenn ein Angreifer es schaffen würde, mit den Kennungsdaten Deines Handy eine telefonische Bombendrohung bei der Polizei auszusprechen – und die freundlichen Beamten klingen dann an Deine Türe… der Rechtstreit wird Dich viel Zeit und Nerven kosten!

Das dritte Problem ist das Rechtsverständnis unserer Gesellschaft. Unschuldig bis zum Nachweis der Schuld. Keine Vorverurteilung, keine Lynchjustiz und ein fairer Prozess. All das sind Errungenschaften die den Bürger vor dem Staat schützen sollen und deren Ziel es ist, Rechtstaatlichkeit zu garantieren. Bei der Vorratsdatenspeicherung – ähnlich wie beim Massen-Gentest – wird an diesen Prinzipien heimlich manipuliert. Es werden Fakten geschaffen – natürlich nicht im Großen und Lauten, sondern im Kleinen und Stillen, die unseren Rechtsstaat aushebeln.

Zusammenfassung

Wenn wir in 20 Jahren zu Unrecht verdächtigt werden (kann das jemand ausschließen?), dann bleibt zu hoffen, dass unsere Warnungen heute gehört wurden. Fälle, die auf falschen Daten basieren gibt es einige. Wer erinnert sich nicht an die ältere Dame, die obwohl nachweislich im Urlaub gewesen, tausende geschützter Musikstücke gehandelt haben soll?

Die Probleme der VDS sind um ein Vielfaches schwerer als es die schlimmste Tat jemals sein könnte. Um Kinderschänder, Terroristen, Vergewaltiger und Raubkopierer zu verfolgen und hängen zu sehen, nehmen wir den massiven Eingriff in die Grundwerte der Gesellschaft in Kauf. Und vergessen dabei, dass diese Grundwerte nicht nur die Täter, sondern JEDEN einzelnen von uns schützen.

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Strukturen aufbrechen – das Ablenk-Argument

Eine interessante Technik im Laufe einer komplexeren Debatte ist es, durch verschärfte Forderungen vom ursprünglichen Ziel abzulenken und einen Konsens zu erzielen, der eigentlich keiner ist. Um ein Beispiel zu nennen: In der aktuellen Urheberrechtsdebatte tauchen Meldungen von Erhöhung der GEMA Gebühren oder von einer Erhöhung der Gebühren für Speichermedien auf. Wollte der Gegner ursprünglich die GEMA oder die Rohdatenträgergebühren abschaffen, kann er jetzt schon von Erfolg sprechen, wenn er die Erhöhung verhindert. Et voila… Eigentlich hat sich nichts geändert und die Erhöhung gibt es später immer noch…

Eine fantastische Technik: Der Arbeitnehmer fordert eine Lohnerhöhung, der Arbeitgeber verkündet eine Senkung und am Ende ändert sich nichts.

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Seine Meinung vertreten

Es gibt viele Möglichkeiten den eigenen Standpunkt, seine Meinung zu vertreten. Leider erscheint es einfacher GEGEN etwas zu sein, als FÜR etwas einzutreten. Wir sind GEGEN Atomkraft, GEGEN Umweltverschmutzung, GEGEN Nazis.Das alles ist immer so negativ, mit wenig Hoffnung und voller Kontra. Gegen etwas zu sein hat keine Perspektive, denn es löst sich von selbst auf.

Wäre es nicht mindestens genau so schön, FÜR Solar, FÜR Filtersysteme, FÜR Menschlichkeit zu sein? Ich jedenfalls bin FÜR zuhören, FÜR’s lernen und FÜR Menschlichkeit!

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Datenschutz fängt bei uns allen an

Die Piraten vertreten eine durchdachte und ernsthafte Position in Bezug auf Datenschutz und Privatsphäre. Mir erscheint es deshalb sehr wichtig, dass wir diese Position auch selbst vorleben!

Nehmen wir den Schutz unserer eigenen Daten wichtig, so ist es unsere Verantwortung, den Schutz personenbezogener Daten von anderen Personen sogar noch wichtiger zu nehmen und ernsthaft zu betreiben.

Diese Daten von Anderen werden uns in gutem Glauben überlassen. Das müssen wir ernst nehmen.

Am einfachsten kann ich das, was ich meine, durch ein paar Beispiele erläutern.

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Beispiel 1

Ich habe Dir meine Telefonnummer gegeben. Wir telefonieren ja häufiger.

Ein (gemeinsamer) Freund versucht mich zu erreichen aber hat meine Nummer nicht. Er fragt Dich! Du gibst sie Ihm.

Problem:

Du hattest KEIN Recht, meine Nummer weiter zu geben.

Alternative Lösung:

Vermittlung anbieten: Du willst Oliver erreichen? Ich ruf’ Ihn gerne für Dich an oder gebe deine Daten an Ihn weiter, wenn Du willst.

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Beispiel 2

Jemand unbekanntes hat mir eine eMail geschickt und eine Anfrage gestellt, die ich nicht direkt beantworten kann.

Mit der Absicht diese Anfrage transparent zu machen und Hilfe aus dem Schwarm zu bekommen, leite ich diese eMail mit erläuternden Worten in eine Zeitung (Mailinglisten, Newsforen etc. sind nichts anderes!)

Problem:

Diese eMail enthielt Kontaktinformationen und/oder kompromittierende Informationen, die nun – ohne Zustimmung des Verfassers – in die Öffentlichkeit getragen wurden.

Alternative Lösung:

Indirekte Wiedergabe der eMail, statt Copy&Paste.

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 Beispiel 3

Jemand sagt Dir etwas und bitte darum Anonym bleiben zu dürfen. Du versicherst es Ihm und erzählst seine Geschichte, sein Anliegen – ohne seinen Namen zu nennen, in der Öffentlichkeit.

Problem:

Hier sind es sogar mehrere Probleme. Das Erste ist offensichtlich. Du kannst keine Anonymität garantieren, höchstens Vertraulichkeit zusichern. Und selbst dabei solltest Du vorher Recht und Gesetz auf deiner Seite wissen.

Problem Nummer 2: Durch die Details, die Du erzählst werden Rückschlüsse auf die Quelle möglich.

Alternative Lösung:

Die Verantwortung direkt ablehnen – Quelle an autorisierte Personen (Anwälte, Journalisten etc.) verweisen. Das hat nichts mit fehlender Hilfeleistung zu tun – du hilft durch verweisen – sondern mit notwendigem Selbstschutz.

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Wie Ihr hoffentlich erkennt, haben alle Beispiele gutherzige Ursachen. In dem Versuch zu helfen leiten wir auch Kettenbriefe weiter, klicken auf Like Buttons oder kopieren wir Statustexte. Aus dem gleichen Grund klicken wir bei Web-pages auf “Share” und geben eMail Adressen oder Telefonnummern bedenkenlos frei…

Es geht nicht darum, nicht mehr zu helfen – aber professionelle Hilfe berücksichtigt auch die Mittel und Wege.

Achtet bitte alle darauf, welche Daten Ihr von Fremden weitergebt.

Danke.

PS:

Nach einem ähnlichen Vortrag vor Jahren vor unserer CIO kam diese später zu mir und sagte: “This isn’t limited to the internet world!”

Ich antwortete: “Security is a lifestyle.”

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Datenschutz vs. Transparenz vs. Privatssphäre

Datenschutz vs. Transparenz vs. Privacy.

Datenschutz und Datenvermeidung betrifft primär die Frage, wie viele Daten notwendig sind, wo sie wann und wie lange gespeichert werden und wie der Zugriff kontrolliert wird – die Einhaltung rechtlicher Vorgaben ist hierbei als das Minimum anzusehen.

Transparenz als Stichwort verstehe ich als Ziel durch nachvollziehbare Informationen Zusammenhänge aufzudecken und auch offen und öffentlich zu agieren. Das gilt mE ins Besondere für durch Gruppen oder die Gemeinschaft unterstützte Güter und Vertreter.
Vorsicht: Nur Öffentlichkeit ist noch nicht Transparenz.

Privatsphäre ist ein Wort, welches für viele Menschen unterschiedliche Abstufungen hat. Aber alle Ansichten sollte die Tatsache vereinen, dass jeder selbstbestimmt über seine Daten verfügen kann. Hierbei ist schon ein erstes Problem in der Tatsache begründet, dass der Übergang zwischen privaten und öffentlichen Daten durch jeden individuell anders gesehen werden kann.

Um jetzt die einzelnen Dinge in unsere Welt zu übertragen:

Je öffentlicher jemand agiert, desto mehr muss er ggf. Teile seiner Privatsphäre opfern. Wenn wir Transparenz fordern, so fängt diese bei uns selber an.

Transparenz, Datenschutz und Privatsphäre widersprechen einander nicht.
Alles was im öffentlichen Raum getätigt wird, muss transparent bleiben. Aber jeder Teilnehmer kann jederzeit aus dem öffentlichen Raum zurücktreten. Die Privatsphäre sollte das Ganze im Idealfall nur eingeschränkt berühren.
Das hat nicht hauptsächlich mit Datenschutz zu tun, sondern vielmehr mit einer Frage, die jeder für sich selbst beantworten muss.

Aufgrund eines nicht ausreichenden Datenschutzes (übrigens würde ich das unserer Piratenpartei am wenigsten unterstellen) allerdings eine alles-oder-nichts Haltung einzunehmen halte ich für nicht tragbar.

Das durch Profiling und data mining Beziehungen entdeckt werden können ist unter bestimmten Voraussetzungen durchaus wünschenswert. Das Problem – und nun sind wir beim Datenschutz – liegt aber hier vielmehr in dem kontinuierlichen und methodischem Missbrauch der erhobenen Daten aus unterschiedlichen Interessen. In diesem Zusammenhang haben wir im Wahlprogramm einige klare Statements.

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