Die Idee vom BGE

Als ich vor ca. 2 Jahren das erste Mal von dem Konzept hörte, ist mir diese Idee alles andere als gut und logisch vorgekommen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) für alle? Absurd.

Ich bin seit vielen Jahren berufstätig – ich arbeite, damit meine Familie und ich essen können, damit wir ein Dach über dem Kopf haben, Kleidung, Möbel und Haushaltsgegenstände kaufen können. Ich arbeite, damit wir uns Auto, Versicherungen, Fernsehen, Internet, den Kinobesuch und auch mal Essengehen leisten können.

Die Idee des BGE soll jedem Menschen so viel Geld garantieren, dass er einige dieser Dinge haben kann – OHNE dafür zu arbeiten. Sicherlich nicht so viel, dass er im Überfluss leben kann, aber so viel, dass die Befriedigung seiner Grundbedürfnisse sichergestellt ist und er auch am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann.

Das ist ungerecht, dachte ich. Die arbeiten doch nicht. Die liegen doch auf der faulen Haut. Ich soll sie mitfinanzieren? Soweit kommt das noch!

Doch dann fing ich an über den Begriff der Gerechtigkeit nachzudenken. Ist es denn nicht so, dass es gerecht ist, wenn jemand, der viel gibt, auch viel bekommt? Wenn jemand, der nicht so viel gibt, auch nicht so viel bekommt? Und wenn jemand, der nichts gibt, auch nichts bekommt? Wäre das nicht gerecht?

Mir wurde klar, dass es gerecht wäre, aber nicht fair! Menschen, so zeigt uns auch die Geschichte, vollbringen große Taten. Nicht Erfindungen, Kulturgüter oder andere Errungenschaften meine ich. Nein, die wahrhaftig großen Taten sind die, die wir selten sehen. Die Pflege zu Hause, das Engagement in den Vereinen, die vielen ehrenamtlichen Dinge, die Menschen machen, weil sie das Gefühl haben wollen etwas zurückzugeben.

Solch ein Verhalten passt nicht in unsere Gesellschaft. Zumindest nicht aus diesem Motiv heraus. Und doch loben die Politik und die Wirtschaft dieses ehrenamtliche Engagement. Jedoch nicht wegen der wahren Motive. Menschlichkeit, Solidarität und Hilfsbereitschaft haben im kapitalistischen Wirtschaftssystem keine Bedeutung, denn sie lassen sich nicht in Zahlen messen.

Die ehrenamtliche Arbeit leistet Dinge, für die sonst auch Gelder zur Verfügung gestellt werden müssten. Geld, das auch den Gewinn eines Unternehmens verringern würde. Alibi-Politik wird immer dann gemacht, wenn doch mal in großer medialer Geste gespendet wird – für etwas, dass man oft selbst mit verschuldet hat. Ein Unternehmen zum Beispiel, das Hungerlöhne zahlt, aber dann in großer Geste für die Tafel spendet.

Nicht genug Arbeit für alle!

Wenn also Menschen Dinge tun, für die sie nicht bezahlt werden, so steckt in Ihnen ein Kern, der nicht rein egoistisch geprägt ist, sondern der sie überhaupt erst zu Menschen macht.

Auf dem Bundesparteitag 2012 in Bochum haben die Piraten eine wichtige Erkenntnis ins Programm geschrieben: Es ist nicht genug Arbeit für alle da! Das stimmt – zumindest wenn man das etwas genauer definiert: Es ist nicht genug menschenwürdige und angemessen bezahlte Arbeit für alle da.

Arbeit gibt es freilich viel mehr. Auch die ehrenamtliche Arbeit ist Arbeit. Auch das Schaffen von neuen Musikstücken, das Malen eines Bildes oder das Schreiben eines Gedichtes ist Arbeit. Arbeit, die unserer Gesellschaft etwas zurückgibt. Arbeit, die nicht dafür gedacht ist, dass ein Unternehmen mehr Geld verdient, sondern dass die Menschheit sich weiterentwickelt. Diese Arbeit versucht der Markt natürlich einzufangen – Wege zu finden, auch mit dieser Arbeit Geld zu verdienen. Daraus entstanden Dinge wie das Urheberrecht, das Leistungsschutzrecht, das Patentrecht, die GEMA und andere Geißeln der Moderne.

Wenn also die Piraten die Erwerbsarbeit vom Menschen trennen, reagieren sie sehr viel tiefgreifender auf die Marktradikalisierung unserer Gesellschaft. Sie setzen mit dem Aufgreifen der Forderung nach einem BGE einen direkten Gegenpunkt, denn sie zeigen ein neues Gesellschaftsmodell auf.

Soziale Marktwirtschaft

Die Gründungsväter des Grundgesetzes hatten eine soziale Marktwirtschaft als Staatsform angedacht. Auch wenn sie so nicht festgelegt wurde, deuten Art. 20 GG und Art.28 GG in diese Richtung. Ihnen war vermutlich bereits damals klar, dass der marktradikale Kapitalismus, die freie Marktwirtschaft, die sozial kompetenteren Menschen zu Verlierern stempeln würde. Wenn wir uns die politischen Veränderungen – in Form von Gesetzen – der letzten 20 Jahre genauer ansehen, so erkennen wir, dass diese Gesetze eigentlich alle nur ein Ziel hatten: Den Begriff „sozial“ aus unserer Marktwirtschaft zu unterwandern und durch eine neue Definition von „gerecht“ zu ersetzen.

Wenn also die Piraten eine Enquete-Kommission fordern, so sind sie die Einzigen, die die fatalen Entwicklungen richtig erkannt haben. Und sie sind die Einzigen, die bereit sind, entsprechende Schritte zur Korrektur einzuleiten.

Folgen des BGE

Die Konsequenzen eines BGE sind ganz schwer abschätzbar. Was wäre denn, wenn jeder Mensch einen Betrag – sagen wir 1200,-€ – monatlich vom Staat bekäme? Ohne weitere Bedingungen?

Würden die Menschen aufhören zu arbeiten? Oder würden Sie sich Arbeit suchen, bei der sie nicht das Gefühl haben, ausgenutzt zu werden? Würden Sie vielleicht zu Hause bleiben und einfach vor dem Verblödungsfernsehen verfetten? Oder würden sie eher Ihre Kinder mit mehr Aufmerksamkeit erziehen?

Wären Dinge wie die Rentenversicherung, Kindergeld, Hartz IV und Beihilfen überhaupt noch nötig? Was wäre mit Menschen, die besondere Förderung brauchen? Wie viele Arbeitsplätze würden tatsächlich wegfallen? Und wie viele Arbeitsplätze würden neu entstehen? Welche neuen Geschäftsmodelle und Formen von Teilnahme und Teilhabe könnten sich entwickeln?

Dass eine Idee wie das BGE kein kurzfristiges Ziel für unsere Gesellschaft darstellt ist offensichtlich, denn die Abwägung vieler Fragen ist offen. Sie kann auch nicht durch eine Partei oder durch ein Parlament für alle Menschen passieren. Der Gedanke zum BGE muss in den Köpfen der Menschen reifen.

Da in unserer Gesellschaft gegenwärtig die Probleme immer deutlicher werden, fordern die Piraten den Mindestlohn als Übergangstechnologie zum BGE. Schon der Mindestlohn kann helfen, die Abhängigkeit der „Human Resources“ vom Arbeitgeber zu reduzieren und ein menschenwürdiges Leben zu unterstützen.

So habe ich mich Stück für Stück von dem Gedanken des BGE überzeugen lassen. Für einen rationalen Menschen wie mich stellen sich natürlich auch kritische Fragen, beispielsweise zur Finanzierbarkeit. Die möglichen positiven Veränderungen für alle Menschen wären so bedeutsam, dass es aus meiner Sicht Pflicht sein sollte, die vielen Modelle zum BGE umfassend zu prüfen. Genau das fordern die Piraten in ihrem Grundsatzprogramm – eine Enquete-Kommission zur Analyse der Realisierbarkeit des BGE. Ich glaube, das ist der richtige Weg!

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