Meine Ziele bei und mit den Piraten

Die Piraten sind momentan nicht wirklich in Hochform. Unschwer festzustellen und durch viele Kommentare und Analysen auch schon erkannt. Ich habe einige gelesen und gehört. Dabei habe ich manches gefunden, dem ich zustimmen kann und anderes, über deren Ansatz ich mich geärgert habe. Nichts Neues also.

Wenn man in einem Projekt arbeitet, stellt man schnell fest, dass es zunächst darum geht, die Ziele zu definieren. Was will man erreichen? Mir sind die Ziele der Piraten nicht immer ganz klar, vor allem nicht, welche Aktionen, Ansichten, Meinungen und Aussagen den Zielen widersprechen. Ja, widersprechen, denn ob zum Beispiel das Buch oder der Rat “doch mal arbeiten zu gehen”, mit den Zielen der Partei zu vereinbaren sind, ist mir nicht klar.

Sich mit den Piraten auf Ziele zu einigen, dürfte noch einige Zeit dauern. Eigentlich haben wir durchaus in Präambel und Grundsatzprogramm Ziele definiert, diese scheinen aber für manch einen wortführenden Piraten nicht relevant zu sein. Aktionen wie die Gruppe42 oder auch das Frankfurter Kollegium haben so etwas erkannt und nach Wegen gesucht die Problematik einzudämmen.

Ich persönlich würde den ursprünglichen Piratenkodex als Wertebild gerne etabliert sehen – inklusive Sanktionsmaßnahmen bei nachweisbaren Verstößen. Aber das zählt zurzeit eher zu den utopischen Zielen.

Deshalb werde ich hiermit eine kleine Beitragsserie anfangen, die meine Ziele/Wünsche erklärt. Ich hoffe das ich das eine oder andere mit den Piraten umsetzen kann.

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Piraten mit Missionen

Seit ich Pirat bin, sind mir noch nie so viele Missionare begegnet. Und – die müssen mich unbedingt bekehren!

Zum Kapitalismus, zum Patriotismus, zum Sozialismus, zum Liberalismus, zum Feminismus, zum Neo-Liberalismus, zum Parlamentarismus, zum Vogonismus, zum Pragmatismus, zum Kreationismus, zum Sexismus und vielen anderen “-ISMEN” (vgl: “Ferris macht blau!”)

Ich freue mich, mit jedem inhaltlich, sachlich und respektvoll ein Thema zu erörtern und habe schon so manches Mal meinen Standpunkt überdenken müssen oder einfach mir unbekannte Fakten meinem Wissen hinzugefügt. Soweit so gut. Nur leider gibt es zu viele Missionare…

Das Schlimme:

Diese “Bekehrungsversuche” passieren in völliger Ignoranz der Tatsache, dass ich vielleicht gar nicht bekehrt werden möchte, oder bereits bekehrt bin.

Noch schlimmer ist es, wenn ich zum Kollateralschaden solcher Missionare werde. Zum Beispiel auf Veranstaltungen, die ich zu einem ganz anderen Zweck besuche.

Politik nur nach eigener Ideologie zu betreiben, scheint manche Menschen blind zu machen. Blind für die Frage, ob Ihre Mission auf die richtige Art, an der richtigen Stelle oder zur richtigen Zeit adressiert wird. Ebenfalls scheinen sie blind zu sein für die Frage, ob durch ungefragte, unerwünschte oder störende Missionierung nicht eher das Gegenteil erreicht werden könnte.

Ich bekehre diese Missionare jetzt mal:

Ich erwarte, dass Ihr mich respektiert, so wie Ihr erwarten könnt, dass ich Euch respektiere. Punkt.

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Wolpertinger unterwegs…

Eine längere Diskussion gestern Abend mit einem Piraten aus Bayern und einigen SH-Piraten im #Sonnendeck im Mumble hat mir mal wieder gezeigt, wie frontal verschiedene Ansichten bei den Piraten aufeinander treffen. Aber vor allem hat sie mir gezeigt, dass der Weg zum Ziel ebenso wichtig ist.

Als Aufhänger für die Diskussion diente das Thema Stiftungen. In der Diskussion vertrat der junge Diskutant die Ansicht, dass die Partei sich dringend “Professionalisieren” müsse; und eine parteinahe Piratenstiftung könne helfen eine “Waffengleichheit” herzustellen.

Wenn ich mit Menschen rede, so versuche ich immer neben dem Vordergründigen auch den Kern zu erfassen. Die meisten Menschen verfolgen Ihre Agenda (ich auch). Wir alle machen Dinge nicht nur weil wir daran glauben, sondern auch weil wir eigene Ziele damit erreichen wollen. Das passiert je nach Mensch entweder bewusst oder unbewusst, aber es passiert.

Ich bin für eine Professionalisierung der Parteiarbeit. Keine Frage. Wer nicht?

Aber wenn ich das Auftreten derer betrachte, die mit mir über so etwas diskutieren wollen, beschleichen mich Zweifel. Zweifel daran, wie viele Grundwerte wir für Ziele zu opfern bereit sind. Zweifel daran, ob das Bild der Piratenpartei, welches ich hatte, bei diesen Menschen überhaupt existiert. Aber weil mein Gesprächspartner schon lange in der Partei ist, beschleichen mich auch Zweifel, ob ich die Partei jemals ohne meine rosa-rote idealistische Brille betrachtet habe.

Hier sind zwei Gründe:

  • Auftreten

Wenn ich andere von meiner Meinung überzeugen will, sollte ich sie dort abholen, wo sie inhaltlich stehen. Wenn ich sie anpöble, disqualifiziere und am besten noch beleidige, erreiche ich nicht mein Ziel – es sei denn: Das Ziel ist es gar nicht, den eigentlichen Gesprächspartner zu überzeugen, sondern ein bestimmtes Bild von sich selbst an die Zuhörer zu übermitteln. Das Bild eines “Machers”, eines geborenen “Führers”, eines kompetenten, wählbaren Menschen…

Diese Art des Auftretens ist es, welches ich an Politikern abstoßend finde. Es ist diese Art, die mich wegschalten lässt, wenn politische Talkshows im Fernsehen angeboten werden. Es ist diese Art, sich nicht mit Inhalten, sondern mit Darstellung zu beschäftigen, die ich hoffte, bei den Piraten nicht zu finden. Hierfür habe ich von einem Piraten ein schönes Wort gelernt: “Poser”.

Eine Technik hierfür ist zum Beispiel immer wieder Andere zu unterbrechen, aber sobald man selbst unterbrochen wird lautstark den Unterbrecher zurechtzuweisen. Eine andere Technik ist es, die Sachebene der Diskussion zu verlassen und jeden Abweichler, Zweifler mit allgemein wenig erstrebenswerten Attributen zu belegen (“das ist rückständig”, das ist “unpiratig” – und wer will das schon sein?). Eine weitere Technik ist das “gekonnte” Zitieren von Statistiken, wichtigen Wissenschaftlern oder gefühlt-guten Politikern, um die eigene Kompetenz zu unterstreichen.

  • Ausflüchte

Ich bin gestern in der Diskussion von einer Flucht, einem Rückzugargument überrascht worden, welches tiefgründiger ist, als zunächst erkennbar war. Der Aussage nämlich, das Gespräch mit mir diene nur dem Testen des eigenen Auftretens und der Anpassung der eigenen Argumente. Diesen Hinweis an den Anfang einer Diskussion zu platzieren wäre fair und glaubwürdig.

Fatal aber ist es, den Hinweis erst zu bringen, nachdem man sich mehrere sprachliche Entgleisungen erlaubt hatte (u.a. anwesende Piraten mit der RAF zu vergleichen). Diese Art der Ausflüchte zeigen den wahren Kern des Gesprächspartners. Es zeigt, dass man sich für sprachliche Entgleisungen nicht entschuldigen möchte und dass man sich der Gesamtsituation so überlegen fühlt, dass der Gegenüber dankbar sein sollte, dass man sich überhaupt mit ihm beschäftigt. Es zeigt eine Respektlosigkeit gegenüber dem (unbekannten) Gesprächspartner, die in meinen Augen zur weiteren Diskussion disqualifiziert.

Was das mit dem Wolpertinger zu tun hat?

Ich dachte, die gibt’s gar nicht…

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Kante zeigen

Der Vorfall vom Montag hat mir gezeigt, dass es einer grundsätzlichen Werte- und Richtungsdebatte bedarf. Für mich war das Parteiprogramm, insbesondere auch der Abschnitt “Recht auf sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe” immer gesetzt und zählte zu den Dingen, die wir nicht mehr diskutieren müssen.

Leider musste ich mich durch Bernd Schlömer vom Gegenteil überzeugen lassen.
Mit seinem Zitat auf Spiegel Online hat sich Bernd Schlömer entschlossen, diesen Abschnitt im Parteiprogramm zu ignorieren und Johannes Ponader, sowie alle anderen Menschen, die auch keiner “geregelten Arbeit” nachgehen, zu diffamieren und persönlich anzugreifen.

Die Fragestunde am Montag abend im “Dicken Engel” wurde dazu genutzt die zitierte Aussage als Kurzschluß-Reaktion abzutun. Bernd Schlömer sagte, die Presse hätte Ihn da falsch zitiert und überhaupt habe er das so nicht freigegeben. Jegliche Forderung nach Entschuldigung oder öffentlicher Richtigstellung lehnte er allerdings auch ab.

In der gleichen Fragestunde hat Bernd Schlömer bestätigt, dass er mit der Springer Presse arbeiten würde, denn so wären 80 Millionen potentielle Wähler direkt zu erreichen.

Wenn man jetzt noch berücksichtigt, dass lt. Johannes Ponader das Ende der Spendenaktion Bernd Schlömer bereits bekannt war – ebenso die Tatsache, dass Johannes Ponader hieraus keinen Cent erhielt – ist eine “mir ist der Kragen geplatzt” Argumentation dürftig und nicht nachvollziehbar.Das wäre sie übrigens auch schon ohne dieses Wissen, da die Spendenaktion längst in der Medienöffentlichkeit verschwunden ist.

Ich unterstelle deshalb Bernd, dass er wissentlich einen Vorstandskollegen in der Öffentlichkeit angegriffen und die Grundwerte der Partei ignoriert hat um Wählerstimmen aus dem konservativen Lager zu gewinnen und die PIRATEN als legitime Nachfolger der FDP zu positionieren. (Siehe Zitat Schlömer in den Medien vor einigen Wochen.)

Ein solch kaltblütig-taktisches Verhalten ist schwer nachzuvollziehen, zumal die PIRATEN in meinen Augen auch für einen an Themen orientierten, sachlichen Politikstil stehen sollten. Wir haben gerade erst im Grundsatzprogramm von Schleswig-Holstein (P0203) unseren Politikstil als nicht personenbezogen, diffamierend, nachtragend oder aggressiv bezeichnet.

Wer für die Grundwerte der Partei einstehen will, sollte das nunmehr auch tun – sonst wird er sich am Ende vielleicht die Frage gefallen lasssen müssen “Wie konnte es nur soweit kommen und warum hast DU nichts getan?”

Aus diesem Grund findet Ihr hier ein PAD, in dem ich Fragen an den GESAMTEN Vorstand zu diesem Vorfall sammeln werde und daraus möchte ich einen direkten (nicht einen “öffentlichen”) Brief an den Vorstand verfassen und um Aufklärung bitten.

Parallel hierzu habe ich einen Antrag beim Vorstand (2012-10-15/02)eingereicht, sich mit der Sache zu beschäftigen und vom Bundesvorstand in der Rolle als Landesvorstand ebenfalls den Hintergrund zu erfragen.

https://hu.piratenpad.de/BuBernd
http://wiki.piratenpartei.de/SH:Vorstand/Beschlussantr%C3%A4ge

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Wahrheit im Netz – der pseudowissenschaftliche Beweis

In der Wissenschaft treffen die Damen und Herren Wissenschaftler Aussagen, in denen sie auf ihre oder andere Forschungsergebnisse hinweisen und daraus Thesen und Erkenntnisse ableiten. Das referieren auf Originalquellen ist hierbei wichtig, um die Nachprüfbarkeit der These, der Erkenntnis zu gewährleisten und anderen Menschen zu erlauben, die zugrundeliegenden Gedankengänge und Schlussfolgerungen zu sehen.

Ein weiterer Grund des Bezugs zu einer Quelle ist es, sicherzustellen, dass sich der Wissenschaftler nicht mit fremden Federn schmückt, sondern – als guter Ton unter Kollegen – das Lob dort adressiert, wo die Arbeit geleistet wurde. Auf das sogenannte “geistige Eigentum” will ich nicht auch noch hinweisen…

Das ist die wissenschaftliche Basis von Arbeiten, von Forschung und Entwicklung. Von Erkenntnisgewinn für die Gesellschaft und vom Weiterentwickeln der Menschheit. Solange diese Basis so existiert, werden wir uns weiter entwickeln, wir lernen fortlaufend unsere Entscheidungen den neuen Erkenntnissen anzupassen und die Erkenntnisse fließen in das globale Wissen ein, welchen durch old-fashion Medien und zunehmend durch moderne Medien der Menschheit erhalten bleibt.

Was aber passiert, wenn diese Basis zu einer pseudowissenschaftlichen Basis verkommt?

In einem solchen Falle, wird sich die Menschheit nicht mehr von der Wahrheit leiten lassen, sondern von Meinungs- und Stimmungsmachern. Sie wird sich auch weiter entwickeln, aber in die Richtung einer Gesellschaft, die von Egoismus und Populismus geprägt sein wird. Das Lernen aus Fehlern wird schwerer werden und der Eigenanspruch an die Wahrheit wird zu einem Anspruch an Andere, die Wahrheit vorzubeten. Der Mensch verblödet.

Wie entsteht diese Pseudowissenschaft?

Hierzu ein paar Punkte:

  • Es werden Wissenschaftler für das Manipulieren von Forschungsergebnissen bezahlt
    Gefühlt gibt es für mich nur noch gesponserte Studien. Dabei wird der Auftraggeber oft hinter komplexen Geflechten von Institute, Stiftungen und sonstigen Lobbygesellschaften versteckt, dass ein durchschauen dieser Tatsachen investigativen und professionellen Journalismus erfordern würde – wenn nicht diese auch wieder durch Geldgeber kontrolliert werden würden.
  • Es werden Forschungsziele so verwässert formuliert, dass ein breiter Spielraum für Interpretationen bleibt
    Diese Technik ist sehr beliebt, um ein dem Auftraggeber genehmes Ergebnis zu erziehen und dabei die Intention hinter einem Mantel der Offenheit zu verstecken.
  • Es wird durch suggestive Fragestellungen die Richtung des Ergebnisses bereits vorgegeben
    Schon mal an einer Umfrage teilgenommen, wo eine Frage so gestellt wird, die eine objektive Bewertung unmöglich macht? Beispiel: Sind sie für eine Anhebung des Rentenalters auf 67 oder auf 70 Jahre? Was wäre denn, wenn ich überhaupt nicht für eine Anhebung des Rentenalters wäre?
  • Es werden Sekundärquellen genutzt
    Statt auf die Originalquellen einer Erhebung zu verweisen, werden munter Quellen benutzt, die bereits die Daten interpretiert und mit einer eigenen Meinung versehen haben. Auf diese Weise entsteht ein Eindruck von tiefer Auseinandersetzung mit dem Thema, die aber letztendlich meistens sehr einseitig bleibt. Gerade in Netz sehe ich sehr häufig diese Art der Verknüpfung. Wenn man Ihnen folgt, bekommt man leicht den Eindruck viele Menschen – eine große Mehrheit – wäre ähnlicher Meinung.
  • Es werden Fachleute geschaffen
    Formulierungen wie “wie der Kollege XYZ bereits erwähnte” oder “gemäß einer Studie von Dr. ABC”, die wissenschaftlich korrekt sind, werden Ihrer ursprünglichen Intention widersprechend angewandt. Es kann zum Beispiel versucht werden, eine Reputation für einen Kollegen aufzubauen, die durch nichts wirklich begründet ist. Wenn dann dieser Kollege wiederum auf den ersten Sprecher verweist, entsteht eine Schleife von Reputation, die eigentlich in Humbug ist, aber den Wenigsten auffällt.
  • Die eigene Reputation wird unterstrichen
    Durch Benennen von Verbindungen zu anderen Personen suggeriert man den Eindruck tief an der Quelle zu sitzen und alles was man sagt mit diesen Personen abgestimmt zu haben. Man kann mich zum Beispiel nicht damit beeindrucken, wenn man im Nebensatz sagt: Angela (Merkel) hat mir letztens erzählt, dass Sie das genauso sieht. Das wird besonders dann lächerlich, wenn der Gegenüber keine Besonderheit oder Relevanz zum Thema in der anderen Person erkennt. Mich macht es irgendwann einfach müde, einem solchen Angeber zuzuhören.
  • Es werden Fakten unterschlagen
    Fakten, Argumente, auf die man nicht eingehen will, werden einfach ignoriert. Genau diese Fakten und Argumente sind es, die ich doppelt aufmerksam betrachte.

Aus diesen Überlegungen habe ich für mich ein paar Leitlinien entwickelt:

  1. Traue keiner Studie, verlasse Dich auf Gespräche und Erkenntnisse, die Du selbst erfährst.
  2. Werde vorsichtig gegenüber Menschen, die vor lauter Zitieren von anderen Erkenntnissen, Ihre eigene Meinung nicht mehr kennen.
  3. Lasse Dich nicht auf Diskussionen ein, die einen pseudowissenschaftlichen Anstrich bekommen – überlasse das den Wissenschaftlern.
  4. Vermeide Links in Deinen Texten, sie suggerieren einen wissenschaftlichen Anspruch, denn ich gar nicht an mich selbst stelle.
  5. Rede nicht in „WIR“ Form, wenn Du nicht alle im „WIR“ gefragt hast.
  6. Vermeide den Eindruck zu erwecken, Du wärst eng mit einer „hochgestellten“ Person befreundet. Nenne deshalb nicht in jedem zweiten Satz den Namen. Das einzige Ziel von sowas ist es, der eigenen Meinung mehr Gewicht zu geben.
  7. Hinterfrage immer: Was ist das Ziel des Autors?
  8. Lese zwischen den Zeilen und achte auf das was unterschlagen werden könnte.

Schlusswort:

Es gibt mehr als Schwarz und Weiß. Das weiß ich. Ich weiß auch, dass Studien nötig sind und dass ich nicht die Weisheit der Welt gepachtet habe. Ganz bestimmt habe ich sogar die Definition einiger Begriffe für mich umgedeutet. Ich sehe lediglich ein paar Dinge, von denen ich glaube, dass Sie nicht genug Beachtung finden. Deshalb will ich mit dem Text zum Nachdenken anregen, nicht überzeugen.

 

TL;DR

It’s not my problem – if your concentration phase is too short.

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SteuerCD – Thema verfehlt?

Zu dem erneuten Ankauf einer CD mit Daten potentieller Steuerhinterzieher aus Deutschland, die in der Schweiz kopiert wurde, gäbe es eigentlich wenig neues zu sagen. Wenn da nicht eine beachtenswerte Komponente hinzugekommen wäre.

Eine Gruppe von 4 (Fraktions-)Mitgliedern der Piratenpartei stellt Strafanzeige in Nordrhein-Westfalen gegen den Käufer der CD. First of all: Die Gruppe will sich als Privatpersonen verstanden wissen  – das unterstelle ich einfach mal so, da es keinen Basisbeschluß gibt, der sagt, wir zeigen alle Steuer CD Aufkäufer an. Also: 4 Bürger mit Parteihintergrund stellen Strafanzeige in Nordrhein-Westfalen. Das Sie hierfür Parteimedien zur Veröffentlichung gebrauchen hat dabei natürlich nichts mit der Partei zu tun. Die Tatsache, dass die Presse diesen Bezug herstellt, ist nicht durch die 4 zu verantworten.

Nun aber mal ins Detail. Über die Rechtmäßigkeit des Aufkaufs einer CD mit Daten, die nicht geklaut, sondern kopiert sind (siehe Filesharing-Argumentation) darf man diskutieren. Speziell über die Frage, ob hierbei datenschutzrechtliche Belange verletzt wurden, wenn die Daten per Gesetz eigentlich sowieso den Steuerbehörden zugänglich sein sollten.

Viel interessanter aber ist die Frage nach dem, was dahinter steckt:

Option a) Die Anzeiger haben selbst etwas zu verbergen und treten nun die Flucht nach vorne an. Ich halte diese Option für falsch. Ich denke ich irre mich auch in der Annahme, dass die Anzeiger Beziehungen zu potentiellen Steuerhinterziehern unterhalten könnten und sich auf diese Art für Ihre Freunde stark machen würden.

Option b) Die Anzeiger sind vom Datenschutz und von rechtsstaatlichen Mitteln überzeugt und als Überzeugungstäter kämpfen Sie hier gegen die vermeidliche Rechtsbeugung durch den Staat – vertreten durch den Finanzminister Norbert Walter-Borjans. In diesem Falle kann ich der Aktion noch immer nicht viel abgewinnen,  bin aber auch kein Jurist, um die rechtlichen Zusammenhänge sicher zu deuten. Ich würde allerdings davon ausgehen, dass Herr Walter-Borjans auch nicht einfach einen Schnellschuss ins Blaue riskiert, sondern seine rechtlichen Möglichkeiten durchaus abgewogen hat.

Option c) Die Anzeiger sind Selbstdarsteller, die eine Karte gespielt haben, die sie ins Licht der Öffentlichkeit rückt. Auch wenn ich bereit bin diese These genauso weit von mir zu schieben wie Option a) so erlaube ich mir doch die Frage “Warum jetzt?”. Dieses ist nicht der erste oder der zweite Aufkauf einer CD mit Daten potentieller Straftäter. Was macht diesen Ankauf so anders, dass nun dagegen geklagt wird?

Was bleibt?

Es bleibt die Frage, warum diese Diskussion das Problem verdrängt? Das Problem ist nicht die Steuer CD, sondern die Frage, warum gerade wohlhabende Menschen in Deutschland Ihrer sozialen Verantwortung für die Gemeinschaft in der auch sie leben nur widerwillig nachkommen wollen. Warum das Verbrechen “Steuerhinterziehung” immer noch als Kavaliersdelikt angesehen wird?

Es bleibt die Frage, warum unsere Gesetze so viele Schlupflöcher lassen und warum unsere Behörden mit zu wenig Personal Verstöße verfolgen sollen. Rein mathematisch glaube ich, dass sich einige zusätzliche Steuerexperten schon durch Ihre Arbeit selbst finanzieren würden – gilt übrigens auch für Sozialarbeiter etc.

Es bleibt die Frage, nach meinem Standpunkt. Ich halte den Ankauf der CD’s für fragwürdig und würde Ihn selbst nicht so tätigen. Ich halte aber die Steuerhinterziehung für ein Verbrechen an der Gesellschaft. Beide Dinge gegeneinander zu halten ist jedoch nicht zielführend. Entscheidend sollte die Frage sein, wie man Steuerhinterziehung wirkungsvoller bekämpft und warum man Steuerhinterziehern immer noch oft so großes Pardon gewährt.

Das Steuerabkommen mit der Schweiz, ist wieder ein legalisierendes Abkommen, wie wir schon einige haben. Ziel hiervon ist es nicht, die Steuerhinterziehung wirkungsvoll zu bekämpfen – wie uns suggeriert wird – , sondern durch einen Ablasshandel eine rückwirkende Straffreiheit zu erreichen. Es ist mir unbegreiflich, wie Politiker ernsthaft so etwas als richtig verkaufen können. Der Trick ist einfach: Wiederhole es lange genug und schweige zu den Vorwürfen, beziehungsweise weiche aus. Wer dieses Steuerabkommen wohl so geschrieben hat?

Wenn in NRW der Finanzminister genau mit dem Unsinn dieses Steuerabkommens argumentiert, so hat er in diesem Punkt meine Meinung getroffen. Wenn er deshalb begründet, dass er lieber die CD kauft um die Verbrecher zu entlarven, so hat er auch in diesem Punkt meine Zustimmung. Steuerhinterziehung ist ein Verbrechen und die Gesetze sollten deutlich höhere Strafen vorsehen. Den Staatsanwaltschaften sollte grundsätzlich verboten werden Verfahren wegen geringen öffentlichen Interesses oder Geringfügigkeit gegen ein Schutzgeld einzustellen.  Die Willkür dieses Mittels ist der Rechtsstaatlichkeit abträglich.

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